EU-Überwachungspaket: Deutschland stoppt Chat-Kontrolle
Deutschland verhindert mit Sperrminorität die umstrittene EU-Chatkontrolle, während Telegram seine Datenschutzpolitik zugunsten von Behördenzugriff ändert.
Datenschutz triumphiert über Überwachung: Deutschland hat mit seiner Ablehnung der umstrittenen EU-Chat-Kontrolle eine Sperrminorität geschaffen. Das geplante Gesetz, das die Überwachung verschlüsselter Nachrichten vorgeschrieben hätte, steht damit vor dem Scheitern. Gleichzeitig ändern Messaging-Dienste ihre Datenschutzrichtlinien – mit weitreichenden Folgen für Millionen Nutzer.
Die dänische EU-Ratspräsidentschaft musste ihre Abstimmung über die „Chat Control“-Verordnung absagen, nachdem Deutschland und Luxemburg die Opposition verstärkten. Zusammen mit Österreich, Belgien, Tschechien, Finnland, den Niederlanden, Polen und der Slowakei verfügen die Gegner nun über genügend Stimmen, um das Vorhaben zu blockieren.
Im Kern geht es um eine brisante Frage: Soll die EU das Scannen privater Nachrichten zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch vorschreiben? Das würde bedeuten, dass Bilder, Videos und URLs bereits auf dem Gerät des Nutzers überprüft werden – noch bevor sie verschlüsselt werden.
„Backdoor“ durch die Hintertür
Über 500 führende Kryptografie-Experte warnen: Das geplante „Client-Side-Scanning“ würde die Verschlüsselung faktisch aushebeln. In einem offenen Brief sprechen sie von „technisch nicht machbaren“ Vorschlägen, die die Sicherheit aller EU-Bürger „völlig untergraben“ würden.
Meredith Whittaker, Chefin des Messengers Signal, bringt es auf den Punkt: „Massenüberwachung untergräbt Verschlüsselung. Punkt.“ Jedes solche System würde zum begehrten Ziel für Hacker und feindliche Staaten – mit globalen Konsequenzen weit über Europa hinaus.
Die Ironie: Ein Gesetz zum Schutz von Kindern könnte ausgerechnet Journalisten, Aktivisten und normale Bürger autoritären Regimen und Kriminellen ausliefern.
Telegram wechselt die Seiten
Während die EU über Verschlüsselung streitet, vollzieht Telegram eine bemerkenswerte Kehrtwende. Der Dienst, der jahrelang als Datenschutz-Bollwerk galt, gibt jetzt IP-Adressen und Telefonnummern an Behörden weiter – bei gerichtlichen Anordnungen zu verschiedenen Straftaten.
Der Wandel folgt dem Druck der Behörden und der Festnahme von CEO Pavel Durov in Frankreich. In der letzten Berichtsperiode erfüllte Telegram bereits 900 US-Behördenanfragen und teilte Daten von 2.253 Nutzern – ein drastischer Anstieg.
Wichtiger Punkt für Nutzer: Telegrams Standard-Chats sind ohnehin nicht Ende-zu-Ende-verschlüsselt. Nur die manuell aktivierten „Geheimen Chats“ bieten echten Schutz.
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WhatsApp und Signal halten die Stellung
Anders als Telegram verteidigen WhatsApp und Signal ihre Verschlüsselung kompromisslos. WhatsApp-Chef Will Cathcart warnt vor einem „gefährlichen globalen Präzedenzfall“ und unterstützt Apple im Rechtsstreit gegen Großbritanniens Überwachungsgesetze.
Signal bleibt der Goldstandard für Datenschutz-Puristen: Die gemeinnützige Organisation sammelt bewusst minimale Nutzerdaten und speichert weder Nachrichten noch Metadaten. Doch selbst Signal ist nicht unverwundbar – russische Hackergruppen haben bereits Malware entwickelt, die speziell auf sichere Messenger abzielt.
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Der ungewinnbare Technik-Krieg
Was bedeutet das für die Zukunft privater Kommunikation? Tech-Unternehmen stehen zwischen allen Fronten: Nutzer fordern Datenschutz, Regierungen verlangen Zugang. Ein erfolgreicher Präzedenzfall in einer Demokratie könnte weitere Länder ermutigen – und die digitale Privatsphäre weltweit aushöhlen.
Die Abstimmung über Chat Control ist nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Bereits am 14. Oktober könnte eine formelle Ratssitzung stattfinden. Für Nutzer wird die Wahl des Messengers zur Grundsatzentscheidung: Ende-zu-Ende-Verschlüsselung per Standard bei Signal und WhatsApp – oder Telegrams Opt-in-Modell mit wachsender Kooperation mit Behörden?
Die Schlacht um die Zukunft privater Gespräche im digitalen Zeitalter hat gerade erst begonnen.