Telegram unter Beschuss: EU ermittelt wegen gefälschter Nutzerzahlen
Die EU-Kommission prüft Telegram wegen möglicher Manipulation der Nutzerzahlen zur Umgehung strengerer Auflagen. Gleichzeitig droht ein Gesetz, das Ende-zu-Ende-Verschlüsselung untergraben könnte.
Messaging-Riese Telegram gerät in der EU unter massiven Regulierungsdruck. Die Europäische Kommission prüft, ob das Unternehmen seine Nutzerzahlen bewusst zu niedrig angegeben hat, um schärfere Auflagen zu umgehen. Parallel dazu droht ein Gesetz, das die Verschlüsselung privater Nachrichten aushebeln könnte.
Der Kern des Streits: Telegram behauptet, „deutlich weniger als 45 Millionen“ monatlich aktive Nutzer in der EU zu haben. Eine kritische Schwelle denn ab 45 Millionen würde die App als „Very Large Online Platform“ (VLOP) unter dem Digital Services Act eingestuft. Die Folge: Strengste Inhaltsmoderation, Risikobewertungen und externe Audits werden Pflicht.
Zahlenspiele mit Folgen
Das Digital Services Act (DSA) ist die schärfste Waffe der EU gegen Tech-Konzerne. Wer als VLOP eingestuft wird, muss transparente Berichte vorlegen und robuste Maßnahmen gegen illegale Inhalte ergreifen.
Telegram meldete Anfang des Jahres 41 Millionen EU-Nutzer praktischerweise knapp unter der 45-Millionen-Marke. Doch bei der obligatorischen Aktualisierung im August lieferte das Unternehmen nur vage Versicherungen, weiterhin unter der Schwelle zu liegen. Eine genaue Zahl? Fehlanzeige.
Die Kommission zweifelt öffentlich an Telegramm Angaben und berechnet nun selbst die tatsächlichen Nutzerzahlen. EU-Parlamentarier fragen bereits, warum Telegram noch nicht als VLOP eingestuft wurde, und verweisen auf unabhängige Studien, die deutlich höhere Nutzerzahlen nahelegen.
Bei einem Verstoß drohen Strafen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.
„Chat Control“: Angriff auf die Verschlüsselung
Während die DSA-Schlacht um Plattformgröße tobt, bahnt sich ein ideologischer Konflikt um Telegramm Kernversprechen an: die Verschlüsselung. Ein umstrittener EU-Vorschlag, von Kritikern „Chat Control“ getauft, gewinnt unter den Mitgliedstaaten an Fahrt.
Die Maßnahme soll Kindesmissbrauch bekämpfen, würde aber Messenger-Apps wie Telegram, Signal und WhatsApp zwingen, alle Nachrichten, Bilder und Videos vor der Verschlüsselung zu scannen. 19 EU-Länder unterstützen den Vorschlag bereits.
Datenschützer und Tech-Experten verurteilen das Vorhaben als Massenüberwachung. Telegram-Gründer Pavel Durov warnt, solche Gesetze würden jeden stärker gefährden durch Hintertüren, die Hacker und ausländische Geheimdienste ausnutzen könnten. Seine klare Position: Telegram verlässt lieber einen Markt, als die Verschlüsselung zu kompromittieren.
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Kehrtwende nach Durovs Verhaftung
Die aktuellen Probleme hängen eng mit der dramatischen Festnahme Pavel Durovs im August 2024 in Frankreich zusammen. Französische Staatsanwälte warfen ihm vor, über die Plattform illegale Aktivitäten zu ermöglichen von Drogenhandel bis hin zu Missbrauchsinhalten.
Ein Wendepunkt: Kurz danach änderte Telegram stillschweigend seine Richtlinien. Die langjährige Garantie, keine Anfragen zu privaten Chats zu bearbeiten, verschwand. Stattdessen gibt es nun Anleitungen zur Meldung illegaler Inhalte.
Durov räumte ein, dass das rasante Wachstum auf fast eine Milliarde Nutzer weltweit „Wachstumsschmerzen“ verursacht habe, die es Kriminellen leichter machten, die Plattform zu missbrauchen. Transparenzberichte zeigen bereits: Die Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden hat drastisch zugenommen, besonders in Frankreich.
Vertrauenskrise mit System
Das Zusammentreffen der Herausforderungen Nutzerzahlen-Untersuchung, Verschlüsselungsdebatte und Durovs Verhaftung offenbart ein tiefes Misstrauen zwischen EU-Regulierern und Telegram.
Während Meta und Google etablierte Lobby- und Compliance-Strukturen in Brüssel unterhalten, hielt sich Telegram lange distanziert. Das rächt sich nun: Regulierer sehen eine Plattform voller Desinformation, besonders russischer Propaganda, und einen Umschlagplatz für Kriminalität.
Das belgische Institut für Post und Telekommunikation (BIPT) untersucht bereits Telegramm Einhaltung der EU-Terrorismus-Verordnung, die das Entfernen gemeldeter Inhalte binnen einer Stunde vorschreibt.
Kollisionskurs voraus
Telegramm Weg durch Europa wird steinig. Die Kommissions-Untersuchung zu den Nutzerzahlen soll in den kommenden Monaten abgeschlossen werden. Eine VLOP-Einstufung wird immer wahrscheinlicher mit kostspieligen Folgen für Inhaltsmoderation und Transparenz.
Gleichzeitig könnte „Chat Control“ bis Mitte Oktober verabschiedet werden. Dann stünde Durov vor einer existenziellen Entscheidung: Hintertüren schaffen, die Telegramm Identität zerstören oder die Drohung wahrmachen und den EU-Markt verlassen.
Für Millionen europäischer Nutzer, die auf die App wegen ihrer vermeintlichen Privatsphäre vertrauen, steht die Zukunft ihrer Kommunikation auf dem Spiel.
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