Wien: Baukrise bedroht Wohnungsmarkt
Genehmigungen stürzen auf Rekordtief
Die Wiener Bautätigkeit ist dramatisch eingebrochen. Stillstehende Kräne und aufgeschobene Projekte signalisieren eine bevorstehende Wohnungsknappheit mit steigenden Mieten.
Ein “perfekter Sturm” aus explodierenden Baukosten, hohen Zinsen und strengen Kreditrichtlinien hat den Neubausektor der Bundeshauptstadt nahezu lahmgelegt. Politik reagiert mit milliardenschweren Förderpaketen, doch die Unsicherheit in der Baubranche bleibt groß.
Die Zahlen der Statistik Austria sind alarmierend: 2024 wurden österreichweit nur noch 32.100 Wohnungen bewilligt – ein Rückgang von 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Seit dem Rekordjahr 2017 mit 72.500 Genehmigungen bedeutet das einen Einbruch von fast 56 Prozent.
Der negative Trend setzt sich fort. Experten prognostizieren, dass die Fertigstellungszahlen den jährlichen Bedarf in Wien von 10.000 bis 11.000 Wohnungen bei weitem nicht decken werden.
Gleichzeitig spitzt sich die Lage in der Bauwirtschaft zu. Das erste Halbjahr 2025 zeigte in Wien einen deutlichen Anstieg der Firmenpleiten, wobei die Bau- und Immobilienbranche stark betroffen ist.
Kostendruck und hohe Zinsen bremsen Branche
Die Ursachen sind vielschichtig. Der Baukostenindex lag auch im September 2025 um 1,6 Prozent über dem Vorjahreswert. Die Zinswende der EZB verschärft die Lage zusätzlich – aktuelle Bauzinsen bewegen sich um 3,5 Prozent effektiv.
Hinzu kommt die KIM-Verordnung, die seit Mitte 2022 strenge Kreditregeln vorschreibt:
- 20 Prozent Eigenkapitalquote für Wohnbaukredite
- Maximale Schuldendienstquote von 40 Prozent des Nettoeinkommens
Obwohl die Verordnung im Juni 2025 auslaufen soll, hat sie den Markt nachhaltig gebremst.
Politik startet Milliarden-Offensive
Der Bund reagiert mit einem über zwei Milliarden Euro schweren Wohn- und Baupaket. Eine Milliarde Euro fließt als Zweckzuschuss an die Bundesländer für leistbaren Wohnraum. Weitere Maßnahmen: Die temporäre Abschaffung der Grundbuch- und Pfandrechtsgebühren für das erste Eigenheim bis 500.000 Euro Bemessungsgrundlage.
Wien startet parallel die “Wiener Wohnbau-Offensive 2024+”. Das Ziel: 22.200 geförderte Wohnungen mit einem Bauvolumen von 2,8 Milliarden Euro.
Sozialer Wohnbau als Stabilitätsanker
Die Krise trifft den frei finanzierten Sektor am härtesten. Wiens Modell des sozialen Wohnbaus erweist sich als wichtiger Stabilitätsanker – ein Großteil der Bevölkerung lebt in Gemeinde- oder Genossenschaftswohnungen.
Doch Experten warnen: Der geförderte Wohnbau allein kann die Lücke nicht schließen. Langfristig droht eine Verknappung des Gesamtangebots mit steigendem Mietpreisdruck.
Tiefpunkt erst 2026 erwartet
Die Bauwirtschaft rechnet mit erheblicher Zeitverzögerung, bis die Konjunkturpakete auf den Baustellen ankommen. Branchenprognosen erwarten für 2025 und 2026 einen Tiefpunkt bei den Fertigstellungen in Wien.
Entscheidend für eine Erholung werden die Entwicklung der Baukosten, die EZB-Zinspolitik und die wirtschaftliche Stabilität sein. Für Wohnungssuchende dürften die kommenden Jahre herausfordernd bleiben – das Angebot wird knapper, der Wettbewerb um leistbaren Wohnraum intensiver.


